Antrag | 13.10.2017

Kohleausstieg in München: Ausstiegsszenario „GuD-Anlage“ und ökologischer Nutzen – Irreführung im städtischen Informationsbeiblatt?

Fragestunde zur Vollversammlung am 18.10.17

Leider wurden die schriftliche Anfrage unserer Fraktion vom 13.9.2017 zum Thema Kohleausstieg und dem nahenden Bürgerentscheid „Raus aus der Steinkohle“ nicht sachgemäß beantwortet. Die Begründung für die inhaltliche Nicht-Beantwortung ist der mehrfach und nahezu wortgleich wiederholte Passus, das Ausstiegsszenario GuD-Anlage sei „nach Einschätzung der SWM derartig unwahrscheinlich, dass eine Weiterverfolgung dieses Vorschlages nicht gerechtfertigt ist“. Nach uns vorliegenden Unterlagen haben sich die Stadtwerke München jedoch bereits intensiv mit diesem Vorschlag auseinandergesetzt – sprich ihn bereits weiterverfolgt. Insbesondere fand laut Presseberichterstattung bereits ein Gespräch mit dem Unterföhringer Bürgermeister zu einer solchen GuD-Anlage statt („Stadtwerke planen Gaskraftwerk in Unterföhring“, Süddeutsche Zeitung vom 26.7.2017). Wir bitten daher, das Informationsrecht des ehrenamtlichen Stadtrates zu gewährleisten und die unten aufgeführte Anfrage diesmal sachgemäß zu beantworten.
Zum Sachverhalt: Aufgrund eines Prüfauftrags des Münchner Stadtrats vom 5.4.2017 haben die Stadtwerke im Juli 2017 in einer nicht-öffentlichen Sitzung des Aufsichtsrates überraschend ein neues Kohleausstiegs-Szenario für das vom Bürgerbegehren „Raus aus der Steinkohle“ geforderte Ausstiegsjahr 2022 vorgestellt. Dieses beinhaltet eine sogenannte GuD-Anlage am bisherigen Standort Nord.
Dennoch hat die Koalition aus CSU und SPD anschließend ein städtisches Beiblatt zum am 5. November 2017 stattfindenden Bürgerentscheid beschlossen, das dieses Ausstiegsszenario komplett ignoriert. Auch der von Fachgutachtern dargestellte ökologische Nutzen des Kohleausstiegs wird in diesem in Frage gestellt.

Deshalb fragen wir:

1) Bezüglich Punkt 3 des Beiblatts „Der Block 2 ist derzeit noch wichtig für die Sicherheit der Münchner Strom und Fernwärmeversorgung“:

a) „Damit ist München im Fall eines Stromausfalls autark.“
Ist im Ausstiegsszenario GuD-Anlage diese Autarkie auch weiterhin gegeben?

b) „Vor allem, wenn es im Winter kalt ist, sichert der Kohleblock im HKW Nord die Wärmeversorgung in München.“
Ist in den Ausstiegsszenarien GuD-Anlage und Heizwerke die Sicherung der Wärmeversorgung gegeben?

c) „Eine zu schnelle Umstellung wäre nicht nur mit hohen Kosten, sondern auch mit großflächigen Baumaßnahmen in der Innenstadt verbunden, die den Verkehr sehr stark behindern würden.“
Müsste für das Ausstiegsszenario GuD-Anlage die Umstellung des Fernwärmenetzes beschleunigt erfolgen (was oben genannte großflächigen Baumaßnahmen bedingt)?

2) Bezüglich Punkt 4 des Beiblatts „Die LH München kann über eine Abschaltung des Blocks 2 nicht allein entscheiden“

Könnte im Ausstiegsszenario GuD-Anlage dieselbe Leistung an Strom erzeugt werden wie momentan im Heizkraftwerk Nord?

3) Bezüglich Punkt 5 des Beiblatts „München ökologisch versorgen“

„Eine vorzeitige Abschaltung des Blocks 2 bringt […] Risiken für die Strom und Wärmeversorgung“.
Inwiefern entstehen im Ausstiegsszenario GuD-Anlage, in dem sowohl elektrische als auch thermische Leistung weiterhin direkt in München bereit gestellt werden, solche Risiken?

4) Bezüglich Punkt 2 „Eine Abschaltung des Blocks 2 bringt fast keine CO2-Einsparung“

a) „Bei einer Abschaltung von Block 2 würde die wegfallende Stromerzeugung derzeit noch von anderen, teilweise älteren Kohle- und Gaskraftwerken an anderen Stellen in Deutschland und Europa ersetzt werden.“
Trifft dies auch für das Ausstiegsszenario GuD-Anlage zu?

b) „Die in München wegfallenden Emissionen würden daher an anderer Stelle neu entstehen, der Nutzen für das Klima wäre sehr gering.“

i) Auf Seite 30 des Gutachtens von SWM und Ökoinstitut vom 14.9.2016 zum Münchner Kohleausstieg heißt es:
„Wie bereits in der Studie aus dem Jahr 2015 ermittelt, führt eine vorzeitige Stilllegung des HKW Nord 2 zu einer deutlichen Reduktion der CO2-Emissionen in der Stromerzeugung. Dies gilt für alle hier untersuchten Szenarien. Dieses Ergebnis erklärt sich dadurch, dass die Kraftwerke, deren Erzeugung im Strommarkt durch das HKW Nord 2 verdrängt wird, im Jahresdurchschnitt geringere CO2-Emissionen aufweisen als das Münchner HKW. Dabei handelt es sich zum einen um mit Erdgas betriebene Kraftwerke,aber auch um Kohlekraftwerke mit höherem Wirkungsgrad als er im Block Nord 2 erzielt werden kann. Zudem liegen die Emissionen des Münchner Erzeugungsmixes nach einer Stilllegung des HKW Nord 2 deutlich niedriger als vorher. Dies trägt ebenfalls wesentlich zu der insgesamt beobachteten Emissionsreduktion bei.“
Die Aussage im Fachgutachten von SWM und Ökoinstitut widerspricht damit diametral der Aussage des von CSU und SPD beschlossenen städtischen Beiblatts und der Antwort des Referenten für Arbeit- und Wirschaft vom 5.10.17. Weshalb lehnt der Referent für Arbeit- und Wirtschaft diese von den Fachgutachtern, speziell also auch den SWM, getroffene Aussage ab?

ii) Die Fachgutachter empfehlen weiterhin auf Seite 31, es „ […]sollte als Maßstab für eine Entscheidung zum HKW Nord 2 in erster Linie der in Tabelle 3 hervorgehobene Kontext auf Deutschland ohne Ausgleich durch den Emissionshandel herangezogen werden.“ Der in der Tabelle angegebene Wert für das Ausstiegsjahr 2023 lautet 6,4 – 8,8 Millionen Tonnen CO2.
Wieso bezieht sich der Referent für Arbeit- und Wirtschaft in der Antwort vom 5.10.2017 nicht auf diesen ausdrücklich von den Gutachtern als Maßstab empfohlenen Wert?

5) Bezüglich Punkt 5 des Beiblatts „München ökologisch versorgen“

„Eine vorzeitige Abschaltung des Blocks 2 bringt dagegen keine Verbesserung für den globalen Klimaschutz […]“

Auf Seite 251 des Klimaschutzgutachtens der Landeshauptstadt München heißt es: „ Durch eine Stilllegung des Kohleblocks und die Umstellung der Fernwärmeerzeugung auf Erdgas sowie der Stromerzeugung auf Erdgas-Heizkraftwerke der SWM oder andere Anlagen außerhalb Münchens kann in globaler Betrachtung eine erhebliche Treibhausgas-Reduktion erzielt werden.“
Diese Aussage widerspricht diametral des von CSU und SPD beschlossenen Beiblatts und den Ausführungen des Arbeits- und Wirtschaftsreferent in der Antwort vom 5.10.17. Weshalb lehnt der Referent diese im Klimaschutzgutachten getroffene Aussage ab?

Initiative:
Dominik Krause
Sabine Krieger
Gülseren Demirel
Dr. Florian Roth
Katrin Habenschaden
Herbert Danner
Paul Bickelbacher
Oswald Utz
Thomas Niederbühl
Sabine Nallinger
Anna Hanusch
Jutta Koller
Lydia Dietrich
Hep Monatzeder

Mitglieder des Stadtrates