Antrag | 23.01.2014

Anforderungen an Baugemeinschaften und Genossenschaften vor einer Grundstücksvergabe

Anfrage

Wie aus gut informierten Baugemeinschaftskreisen verlautet, besteht die Gefahr, dass sich professionelle Immobilienfirmen und Baubetreuer als „Baugemeinschaft“ tarnen, um an begehrte städtische Grundstücke zu kommen, die laut Stadtratsbeschluss für Baugemeinschaften privilegiert vorgehalten werden. Dieser Verdacht wird nach Recherche der Sitzungunterlagen des Planungsausschusses vom 8.5.2013 (nicht öffentlicher Auswahlbeschluss) und des Kommunalausschusses vom 21.11.2013 (nicht öffentlicher Vergabebeschluss/Grundstücksverkauf) erhärtet. Nach diesen Recherchen hat sich eine Baubetreuungsfirma unter dem „Decknamen“ von gleich 3 Baugemeinschaften beworben und letztendlich für eine „Baugemeinschaft“ ein großes Grundstück im Entwicklungsgebiet Domagkstraße gesichert. Scheinbar werden ähnliche Praktiken auch in anderen deutschen Städten angewendet.
Die LHM unterstützt organisierte „Baugemeinschaften“als zukunftsträchtige Wohnprojekte, die sich in einem reiflichen Planungsprozess zu einem gemeinsamen Bauprojekt entscheiden, und gewährt deshalb interessierten Baufamilien gewisse Privilegien. Dies begrüßen wir ausdrücklich. Im vorliegenden Fall umwirbt und motiviert ein Münchner Baubetreuer (nachfolgend Geschäftsbesorger genannt) interessierte Baufamilien/ Bauherren zur Gründung einer Baugemeinschaft für ein privilegiertes Baugemeinschafts-Projekt auf einem bis November 2013 städtischen Grundstück. Allerdings erscheint das Geschäftsgebaren dieses sogenannten „Geschäftsbesorgers“ zumindest zweifelhaft, aus folgenden den Antragstellern vorliegenden Gründen.

1.) Der Geschäftsbesorger fordert von den interessierten Baufamilien zu Beginn einer Geschäftsbeziehung in einem schriftlichen Vertrag den Verzicht auf Kommunikation mit anderen Baufamilien/Bauherren ohne die vorherige ausdrückliche Erlaubnis des Geschäftsbesorgers. Im Fall des Widerhandels sind eine Vertragsstrafe sowie ggfs. weitere Kosten fällig. Diese Praxis widerspricht nach Ansicht der Antragsteller elementar dem Geist, der Idee und Definition von Baugemeinschaften, die grundsätzlich partizipativ und gemeinschaftlich ausgerichtet sind – auch bereits in einem sehr frühen Planungsstadium.

2.) Der Geschäftsbesorger tritt im vorliegenden Fall im Wesentlichen als „Makler“ auf, der das Grundstück von der LHM im Namen einer „Baugemeinschaft“ erworben hat, und an die Baugemeinschaft ohne weitere eigene Risikoübernahme weiterverkauft. Diese Makler-Dienste „Grundstücksvermarktung und Formierung einer Baugemeinschaft“ lässt er sich scheinbar mit über einer Million € bezahlen (200 € pro Quadratmeter Wohnfläche, multipliziert mit > 5.000 m² Wohnfläche) ohne dafür weitere Dienstleistungen zu erbringen. Etwaige präventive Planungs- und Vorbereitungskosten lässt sich der „Geschäftsbesorger“ gesondert vergüten. Entsprechende Vereinbarungen müssen bereits zu Beginn einer Geschäftsbeziehung unterschrieben werden.
Auch dieses Geschäftsgebaren widerspricht unseres Erachtens dem Geist von Baugemeinschaften. Diese benötigen das Geld für weitaus sinnvollere Investitionen, z. B. in optimierte Energiestandards und erneuerbare Energien.

3.) Des Weiteren fordert der „Geschäftsbesorger“ für das Bauvorhaben eine Generalvollmacht, bereits in einem frühen Stadium der Geschäftsbeziehung mit den Baufamilien, die das volle Risiko übernehmen müssen.

4.) Für den Verlauf der Bauzeit und Betreuung sollen nach vorliegender Absicht des „Geschäftsbesorgers“ weitere erhebliche „Geschäftsbesorgungskosten“ entstehen, die sich letztendlich auf Gesamtkosten von etwa 3,5 Mio. € aufsummieren – ohne Architektenhonorar.

Wir sehen hier eindeutige Anzeichen von unseriöser Maklertätigkeit im Tarnmantel von Baugemeinschaften mit dem Ziel, die Privilegierung von Baugemeinschaften zu missbrauchen, um an privilegierte städtische Grundstücke zu kommen. Dadurch könnten der Ruf und die Idee zahlreicher seriöser Baugemeinschaften schweren Schaden nehmen.

Deshalb fragen wir:

1.) Sind dem Kommunalreferat und/oder dem Planungsreferat solche Praktiken bekannt?

2.) Teilt die Stadtverwaltung unsere Einschätzung, dass ein solches Geschäftsgebaren nicht mit dem Geist, der Idee und der Definition von Baugemeinschaften vereinbar ist?

3.) Welche präventiven Regularien bzw. Qualitätsstandards hat die Stadtverwaltung für Baugemeinschaften und Genossenschaften entwickelt, damit es im Missbrauchsfall nicht zum Vertragsabschluss kommt? Wird die „Echtheit“ von Baugemeinschaften geprüft, über die derzeitigen Standards der Vergaberichtlinien hinaus? Gibt es eine Mindestanzahl an Personen zur Gründung einer Baugemeinschaft?

4.) Welche Voraussetzungen muss ein Vertragspartner vorweisen, der im Auftrag einer Baugemeinschaft oder als Baugemeinschaft oder als Genossenschaft ein privilegiertes Grundstück von der LHM erwerben will?

5.) Falls keine entsprechend ausreichenden Voraussetzungen für einen Vertragsabschluss existieren oder diese ggfs. unzureichend sind, ist dann die Stadtverwaltung bereit, vor weiteren Grundstücksvergaben entsprechend strenge Vorgaben zu entwickeln, die einen Missbrauch unmöglich machen oder zumindest erheblich erschweren? Sind bereits weitergehende Massnahmen geplant?

6.) Ist unsere Einschätzung korrekt, dass die im vorliegenden Fall angewendete Praxis mit drei verschiedenen gleichwertigen Angeboten ins Auswahlverfahren zu gehen, spätestens im Losverfahren die Chancen des Geschäftsbesorgers erheblich steigen? Wird diese Praxis von der Stadtverwaltung als seriös eingestuft?

7.) Hatte die Stadtverwaltung ggfs. bereits bei den Verhandlungsgesprächen einen Verdacht auf unseriöse Praktiken?

8.) Ist die uns vorliegende Information korrekt, dass von der ursprünglichen Kerngruppe der Baugemeinschaft, in deren Namen dieses Grundstück ursprünglich erworben wurde, keine Mitglieder mehr am aktuellen Verfahren beteiligt sind?

9.) Ist unsere Information korrekt, dass zweifelhafte Praktiken auch in anderen Städten angewandt werden?

10.) Teilt die Stadtverwaltung unsere Ansicht, dass Auswahlverfahren besser erneut gestartet werden sollten, bevor zweifelhafte Bewerber zum Zuge kommen?

11.) Wurde der Kaufvertrag bereits notariell vollzogen?

12.) Falls sich in der Vergangenheit bereits ein entsprechender Missbrauch vollzogen hat, zum Beispiel wie im oben beschriebenen Fall vermutet, können dann entsprechende Verträge wieder rückabgewickelt werden (Rückholklausel), bzw. Strafanzeige erstattet werden?

13.) Wenn Frage 11 mit ja beantwortet wird, wird dann der oben beschriebene Vorgang rückabgewickelt und Strafanzeige erstattet?

14.) Wenn Frage 11 mit nein beantwortet wird, bitten wir um eine ausführliche Begründung.
Fraktion Die Grünen-rosa liste

Initiative:
Herbert Danner
Sabine Krieger
Paul Bickelbacher
Mitglieder des Stadtrates