Antrag | 09.12.2008

Die vergessenen Orte der Topographie des Terrors sichtbarer machen

ANTRAG
Die vergessenen Orte der Topographie des Terrors sichtbarer machen –
Ort und Erinnerung zusammenbringen
Der Stadtrat möge beschließen:

1. An verschiedenen Orten in München, deren Bedeutung während des Nationalsozialismus bisher gar nicht oder kaum wahrzunehmen ist, werden dezentrale Erinnerungsorte geschaffen bzw. Sichtbarmachungen vorgenommen.

Beispielhaft seien hier genannt:

– die Erinnerung an Widerstandsgruppen in München. Beispielsweise an die kommunistische im Priesterhaus der Asamkirche, Sendlinger Straße 34, oder an den Hartschwimmer-Olschewskikreis, Augustenstraße 98, die ehemalige Wohnung der Familie Olschewski. Auch an den sozialdemokratischen, liberalen, und kirchlichen Widerstand, wie beispielsweise im Provinzialrat der Jesuiten in der Kaulbachstraße 31a, wird bisher nicht im öffentlichen Raum erinnert.

– die Aufwertung der Münchner Freiheit als Erinnerungsort für die Freiheitsaktion Bayern – bzw. Berücksichtigung dieser demokratischen Geschichte bei der Umgestaltung der Münchner Freiheit.

– ein würdiger Hinweis auf den Standort des Wittelsbacher Palais und das dazugehörige Gefängnis als Sitz der Gestapo.

– ein Hinweis am Polizeipräsidium auf die dunkle Geschichte der Polizei von 1919 – 1945

– der Hauptbahnhof bzw. die Gleisanlagen/Güterbahnhöfe und andere Gebäude der ehemaligen Reichsbahn, die der Deportation von Juden und aller anderen Opfergruppen gedient haben.

– Erinnerungsorte/-tafeln oder Kunstwerke an dezentralen Orten, wo Zwangsarbeiter untergebracht waren bzw. zur Arbeit gezwungen wurden. Wegen der großen Zahl bietet sich hier eine enge Zusammenarbeit mit den Bezirksausschüssen an.

– eine bessere Sichtbarmachung herausragender Gebäude des NSDAP-Parteiviertels (in enger Zusammenarbeit mit dem zukünftigen NS-Dokumentationszentrum)

– eine öffentlich sichtbare Erinnerung daran, dass das Gefängnis Stadelheim während des Nationalsozialismus die zentrale Hinrichtungsstätte in Süddeutschland war.

– eine Sichtbarmachung der Rolle der Kliniken in München bei den Zwangssterilisationen während des Nationalsozialismus.
2. Es wird überlegt, ob an herausragenden Gebäuden, die in Verbindung mit dem Nationalsozialismus standen, eine jeweils gleich aussehende Hinweistafel angebracht werden sollte um das Netzwerk des Nationalsozialismus in München endlich sichtbar zu machen.

3. Es werden Überlegungen angestellt, wie und wo im öffentlichen Raum sichtbar an Opfergruppen erinnert werden kann, die bisher nicht berücksichtigt wurden.
Begründung:Die Diskussion um neue Formen des Erinnerns und Gedenkens hat gezeigt, dass es in München ein große Reihe von Orten gibt, die mit der nationalsozialistischen Herrschaft in Verbindung gebracht werden, die im Öffentlichen Raum entweder nicht oder nur unzureichend erkennbar sind. Zwar verfügt München bereits jetzt über zahlreiche Erinnerungsorte und –tafeln, diese sind aber:

– oft unsystematisch entstanden, wenn eine Initiative diese forderte;

– oft so beschaffen, dass sie mehr über die Verdrängungswünsche derjenigen aussagen, die sie angebracht haben, als über den Wunsch nach Erinnerung und Gedenken (wie z. B. die Erinnerungstafel beim Wittelsbacher Palais);

– oftmals einseitig. So wird der kommunistische Widerstand derzeit in der Erinnerung weitgehend ausgeblendet. An eine Reihe von Opfergruppen wird gar nicht erinnert.

Dieser Antrag geht davon aus, dass Ort und Erinnerung wieder zusammengebracht werden müssen. Dazu sollen Erinnerungs- bzw. Gedenkorte im öffentlichen Raum sichtbar geschaffen werden. Dies können Gedenktafeln, aber auch dezentrale (kleinere) Kunstwerke sein. Es können auch verschiedene moderne Formen gewählt werden – wichtig ist aber, dass diese Orte eine Materialität besitzen, die es jedem Betrachter erlaubt, ohne weitere Barrieren der Aussage des Kunstwerkes folgen zu können. Ziel ist es, die Erinnerung an den Nationalsozialismus in München insgesamt sichtbarer werden zu lassen. Die im Antrag genannten Orte sind lediglich Beispiele und sollen die Vielfalt dessen zeigen, was noch zu tun ist.

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – rosa Liste
Initiative: Siegfried Benker
Thomas Niederbühl
Dr. Florian Roth