Antrag | 29.12.2008

Jetzt die Flüchtlingspolitik Bayerns endlich humanisieren!

Antrag
Der Stadtrat möge beschließen:

1.Der Stadtrat begrüßt ausdrücklich die Schließung der staatlichen Container-Unterkünfte für Flüchtlinge in der Rosenheimer Straße und der Waldmeisterstraße und fordert die baldmöglichste Schließung aller weiteren Container-Unterkünfte der Regierung von Oberbayern wie bereits am 17.11. 2008 vom Sozialausschuss der LHM beschlossen.

2.Die Schließung dieser Unterkünfte kann nur der erste Schritt hin zu einem humanen Umgang mit Flüchtlingen in München (bzw. Bayern) sein. Deshalb fordert der Stadtrat der Landeshauptstadt München die Regierung von Oberbayern bzw. das Bayerische Innenministerium und den Bayerischen Landtag auf:

a. Das Bayerische Aufnahmegesetz aufzuheben und nur noch Flüchtlinge in den Gemeinschaftsunterkünften unterzubringen, die sich im Asylverfahren befinden. Für alle anderen Personen, insbesondere Personen mit Duldungsstatus oder Aufenthaltstiteln nach § 25,IV oder V, oder Familien, deren Mitglieder unterschiedliche Aufenthaltstitel besitzen, soll die Zwangsunterbringung aufgehoben werden.

b. Insbesondere unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (umF) sollen in kind- und jugendgerechter Umgebung untergebracht werden. Das derzeit gültige 4-Stufen-Modell soll angewandt werden.

c. Familien sollen die Unterkünfte so schnell wie möglich verlassen können. Wo dies nicht möglich erscheint, sollen die Unterkünfte für Familien abschließbare Wohneinheiten bereithalten.

d. Die Essenspakete und die Hygienepakete sind abzuschaffen, stattdessen soll der Regelsatz des Asylbewerberleistungsgesetzes ausgezahlt werden.

e. Arbeitsverbote dürfen lediglich im ersten Jahr des Aufenthalts verhängt werden. Alle weiteren Einschränkungen sollen unabhängig vom Aufenthaltstitel aufgehoben werden.

f. Entsprechend dem Integrationskonzept für München sollen Integrationsmaßnahmen auch für Flüchtlinge möglich sein.

g. In den Unterkünften ist eine ausreichende soziale Betreuung sicherzustellen – insbesondere für Kinderbetreuung ist zu sorgen.

h. In den Erstaufnahmeeinrichtungen ist ein entsprechend der EU-Aufnahme- Richtlinie vorgesehenes Clearing zur Erkennung von traumatisierten Flüchtlingen einzurichten. Die Früherkennung und Behandlung von Traumata muss sichergestellt werden.

i. Familienangehörige, die verschiedenen Orten zugewiesen sind, sind unbürokratisch zusammenzuführen.
3. Die Stadt München erklärt sich bereit, ihr umfangreiches Know-how bei der humanitären Betreuung und Unterbringung von Flüchtlingen zur Verfügung zu stellen mit der Regierung von Oberbayern und dem Freistaat zusammenzuarbeiten, und sie bei der Umsetzung einer an humanitären Grundwerten ausgerichteten Flüchtlingspolitik zu unterstützen.
Begründung:

Am 17. 11. 2008 hat der Stadtrat der Landeshauptstadt München aufgrund eines Antrages der Grünen/RL einstimmig beschlossen, dass im Laufe von drei Jahren alle Container-Unterkünfte der Regierung von Oberbayern in München geschlossen werden sollen. Dies führte, neben den Berichten über die Rattenplage in der Gemeinschaftsunterkunft Rosenheimer Straße zu einem Antrag der Grünen im Maximilianeum. Der Landtag beschloss daraufhin ebenfalls einstimmig, die GU Rosenheimer Straße sowie die GU Waldmeister Straße umgehend zu schließen. Wir begrüßen diese Entscheidung ausdrücklich. Dies war eine Sternstunde des Bayerischen Landtages, der nicht mehr bereit war, den unglaubwürdigen Erklärungen der Regierung von Oberbayern bezüglich der Zustände in den Gemeinschaftsunterkünften zu folgen.
Die Schließung der schlimmsten Gemeinschaftsunterkünfte kann aber nur ein Anfang sein. Es ist notwendig, die gesamte Bayerische Flüchtlingspolitik zu humanisieren. Was die Stadt München in diesem Zusammenhang tun kann, ist seit langem geschehen. Auf Seiten des Freistaates fordert der Stadtrat der LHM aber weitergehende Maßnahmen. Hierzu gehören unseres Erachtens mindestens folgende Schritte:

a. In den GUs leben nicht nur Flüchtlinge im Anerkennungsverfahren, sondern auch abgelehnte Asylbewerber, die aber nicht ausreisen können. Diese leben oft Jahre dort ohne Hoffnung und Perspektive auf Änderung. Bis zum In-Kraft-treten des Aufnahmegesetzes konnten geduldete Flüchtlinge außerhalb der Unterkünfte leben. Diese Regelung sollte wieder eingeführt werden. Das ist nicht nur humaner, sondern auch billiger.

b. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sollen nur noch in besonderen Wohnformen untergebracht werden (4-Stufen-Modell).

c. Familien sollen die Möglichkeit auf abgeschlossene Wohneinheiten auch in GUs erhalten.

d. Die Essens- und Hygienepakete sind teuer und dienen ausschließlich der Demütigung von Flüchtlingen. Sachleistungen sind Teil der offiziellen Abschreckungspolitik des Freistaates Flüchtlingen gegenüber.

e. Die restriktive Regelung von Arbeitsverboten führt zu staatlich verordneter Untätigkeit und Abhängigkeit von Sozialleistungen aber auch regelmäßig zu Schwarzarbeit zu Dumpinglöhnen. Flüchtlinge müssen Arbeitsmöglichkeiten erhalten.

f. Das Integrationskonzept der LHM sieht ausdrücklich vor, dass auch Flüchtlinge die (noch) keine Aufenthaltsperspektive besitzen, von Integrationsmaßnahmen profitieren können.

g. Die Betreuung in den staatlichen Gemeinschaftsunterkünften wurde in den letzten Jahren kontinuierlich reduziert. Eine wirkliche soziale Betreuung ist derzeit kaum mehr möglich. Die Kinderbetreuung für diejenigen Kinder, die in keinen Kindertagesstätten untergebracht werden können, muss sichergestellt sein.

h. Derzeit vollzieht Bayern die Erstaufnahmeregelungen für Flüchtlinge, wie diese von der EU verbindlich vorgesehen sind, nicht. Traumatisierungen, die nicht zu Beginn des Aufenthalts erkannt werden, führen in späteren Jahren zu schwerwiegenderen und auch teureren Folgen, als wenn sie bei der Erstaufnahme erkannt werden. Die Früherkennung und Behandlung muss sichergestellt werden.

i. Familien werden häufig in getrennten Orten untergebracht, so dass auch wegen der Residenzpflicht ein Kontakt nahezu unmöglich ist. Einer Familienzusammenführung stehen hohe bürokratische Hürden entgegen, diese müssen abgebaut werden, um auch für Flüchtlinge das Grundrecht auf Ehe- und Familienleben zu garantieren.

Die Landeshauptstadt München hat langjährige Erfahrungen im Bereich einer humanen und sozialen Flüchtlingspolitik. Bei Bedarf erklärt sich die Stadt München bereit, dieses Wissen an die Regierung von Oberbayern und den Freistaat Bayern weiterzugeben.

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – rosa liste
Initiative: Siegfried Benker