Antrag | 12.10.2010

Multiresistente Krankheitserreger auf dem Vormarsch

Anfrage

Im Deutschen Ärzteblatt vom 20. August 2010 schlagen Experten unter der Überschrift “Rasanter Wandel der Erreger” Alarm: Die Zahl mehrfach-resistenter Krankheitserreger – vor allem von Bakterien – sei auf dem Vormarsch. Gängige Antibiotika zeigten bei ihrer Bekämpfung häufig keine Wirkung mehr.

Als Ursache dafür wird zum einen eine mangelhafte Händehygiene von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen ausgemacht, die vor allem auf eine zunehmende Arbeitsverdichtung zurückzuführen ist. Zum anderen trage ein unkritischer Antibiotikaeinsatz zur Entwicklung multiresistenter bakterieller Erreger bei. Allein in Deutschland wird die Zahl jährlicher Krankenhausinfektionen auf 400.000 bis 600.000 geschätzt, die Zahl dadurch bedingter Todesfälle auf 1.500 bis 4.500.

Einer der “Hauptproblemkeime” ist der multiresistente Staphylococcus aureus (MRSA). Mit ihm sind auf Intensivstationen laut Studie 75% der Betroffenen bereits vor Krankenhausaufnahme infiziert. Der Anteil von MRSA-Trägern ist in Deutschland sieben mal so hoch wie in Skandinavien und den Niederlanden, in denen alle neu aufgenommenen Risikopatientinnen und -patienten einem Eingangsscreening auf den Erreger unterzogen werden. Das ist insofern von großer Bedeutung als MRSA bei Immungeschwächten zu schwersten, oft tödlich endenden, Infektionsverläufen führen kann.

Leider bestehen in Deutschland schwerwiegende strukturelle Probleme hinsichtlich des Umgangs mit multiresistenten Krankheitserregern: In vielen Krankenhäusern fehlen klare Richtlinien zum effektiven Antibiotikaeinsatz, Fachgesellschaften geben unterschiedliche Empfehlungen, es gibt keine unabhängigen Fortbildungsveranstaltungen zum Thema und zehn Bundesländer – darunter Bayern – besitzen keine gesetzliche Regelung in Form einer Krankenhaushygieneverordnung. Solange dieser beklagenswerte Zustand fortbesteht, stehen die Kommunen in besonderer Verantwortung, Abhilfe zu schaffen.

Der Öffentliche Gesundheitsdienst im Referat für Gesundheit und Umwelt kann aufgrund mangelnder Personalressourcen lediglich stichpunktartige Kontrollen an den 7800 (sic!) Münchner Pflege- und Gesundheitseinrichtungen vornehmen, wie der Sitzungsvorlage (Nr. 08-14 / V 03667) für den Gesundheitsausschuss am 11.2.2010 zu entnehmen war. Um so wichtiger ist es, mit Hilfe von Leitlinien, Schulungen und Empfehlungen die Ausbreitung multiresistenter Erreger bereits im Vorfeld zu verhindern.
Ich frage deshalb:

1. Gibt es offizielle Empfehlungen des Münchner Gesundheitsamtes für den Umgang mit hochresistenten Krankheitserregern?

2. Existiert ein Aktionsplan für den Fall zunehmender bakterieller und viraler Multiresistenzen? Verfügen die Landeshauptstadt oder ihr übergeordnete Behörden über geeignete Reserveantibiotika? Welche weiteren Maßnahmen sind zur Verhinderung von Multiresitenzen vorgesehen?

3. Werden Schulungen durchgeführt, um Beschäftigte im Münchner Gesundheitswesen bzw. in der Altenpflege für die Problematik zunehmender Resistenzentwicklung von Krankheitserregern zu sensibilisieren? Gibt es im städtischen Hoheitsbereich bzw. in den Beteiligungsunternehmen Münchenstift und Städtisches Klinikum spezielle Hygiene-Schulungen und solche zum sog. “Antibiotic Stewardship”, also dem zurückhaltenden und verantwortungsvollen Antibiotikaeinsatz bei bakteriellen Infektionen?

4. Welche Möglichkeiten bestehen in stationären Einrichtungen in München ein generelles Eingangs-Screening auf MRSA bei Heimbewohnern und Risikopatienten (z.B. auf Intensiv- und Neugeborenenstationen, Transplantationseinheiten) zu implementieren? Mit welchen Kosten wäre ein derartiger Test pro Person verbunden? Bestünde die Möglichkeit einer (Teil-) Finanzierung dieser Maßnahme durch die Krankenkassen?

Initiative:
Dr. Florian Vogel
Stadtrat