Pressemitteilung | 15.11.2011

Rechtsterrorismus auch in München: Welche Rolle spielte der Verfassungsschutz?

P R E S S E M I T T E I L U N G

Rechtsterrorismus auch in München:
Welche Rolle spielte der Verfassungsschutz?

Zu den in den letzten Tagen bekannt gewordenen rechtsterroristischen Aktivitäten der Gruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“, darunter auch zwei Morde in München, erklärt der Vorsitzende der Stadtratsfraktion Die Grünen – rosa liste Siegfried Benker:

Seit Tagen wird Deutschland von der Erkenntnis erschüttert, dass seit mindestens 13 Jahren eine rechtsterroristische Gruppe, die eng mit rechtsextremen Kreisen verbunden war, mindestens zehn Menschen ermorden, zahlreiche verletzen und über ein Dutzend Banken überfallen konnte. Weitere Straftaten warten auf ihre Aufklärung. Zwei der Morde an Migranten fanden hier in München statt, fünf insgesamt in Bayern. München war also einer der Orte, den die rechtsterroristische Gruppe bewusst aufgesucht hat, um ihre Verbrechen zu begehen.

Ob dies auch damit zusammenhängt, dass es hier in München oder im Umland rechtsextreme Sympathisanten und Helfer gab, werden die weiteren Ermittlungen hoffentlich zu Tage fördern. Es ist aber sehr unwahrscheinlich, dass rechtsextreme Mörder ohne unterstützendes Netzwerk jahrelang Verbrechen begehen und im Untergrund bleiben können.

Es wird hoffentlich auch zu Tage kommen, ob den Mitgliedern des sog. „Nationalsozialistischen Untergrundes“ offizielle Helfer oder offizielles Wegsehen zu Gute gekommen ist. Tatsache ist jedoch schon jetzt, dass der Verfassungsschutz, das Innenministerium sowie die Polizeibehörden die Verbrechen in keinem einzigen Fall rechtsextremen Tätern zugeordnet haben. Das ist eine erschütternde Unfähigkeit der verantwortlichen Behörden.

Die Geschichte des Rechtsextremismus und die Bedrohung dieser Gesellschaft durch den Rechtsextremismus muss auch und gerade für Bayern neu geschrieben werden. Es ist nicht wahr, wie von allen Verantwortlichen seit Jahren behauptet, dass die rechtsextreme Gefahr zurückgegangen wäre. Das Gegenteil ist der Fall: Unerkannt und parallel zu den beschwichtigenden Aussagen der Verantwortlichen hat eine rechtsextreme Terrorgruppe unter anderem in München eine Blutspur hinterlassen können.

Fakt ist weiterhin:

– Der Verfassungsschutz hat in den letzten Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen, um Gruppen, die sich in Bayern gegen Rechtsextremismus engagieren, zu kriminalisieren und als verfassungsfeindlich darzustellen. Der Umgang des Verfassungsschutzes – und damit des Innenministeriums – mit „AIDA“, dem Archiv zu rechtsextremen Aktivitäten, belegt, dass der Verfassungsschutz mehr Energie darauf verwendet hat, unliebsame Gruppen zu schikanieren, die sich gegen rechts engagieren, als das rechtsextreme Lager zu beobachten.

– Die Polizei hat wiederholt erhebliche Anstrengungen unternommen, um rechtsextremistischen Aufmärschen in München eine angenehme Demonstrationsatmosphäre zu ermöglichen. Am 13. 11. 2010 wurde hierfür die halbe Innenstadt gesperrt und den DemonstrantInnen die Möglichkeit genommen, vor Ort ihren Protest zu zeigen. Die Polizei verhinderte, dass die Zivilgesellschaft ihren Protest auch zeigen kann. Um dies zu ändern musste ich zusammen mit Florian Ritter, (MdL SPD) und Martin Löwenberg Klage einreichen, über die am 24. 11. in erster Instanz entschieden werden wird. Fakt ist: Die Polizei hat noch erhebliche Kapazitäten, die sie im Kampf gegen rechtsextreme Gewalttaten freisetzen kann.

– Nach der vollkommen friedlichen und von allen Bevölkerungskreisen mitgetragenen Blockade am 8. 5. 2010 in Fürstenried wurden TeilnehmerInnen dieser Blockade willkürlich mit Strafbefehlen überzogen.

Die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus ist eine Aufgabe der gesamten Stadtgesellschaft, die darin immer wieder von Polizei und Verfassungsschutz behindert wird. Entscheidend ist jetzt aber die Aufklärung der Rolle des Verfassungsschutzes: Das Beste, was man über den Verfassungsschutz noch sagen kann ist, dass er unfähig war, das zweitbeste, dass er mit der Verfolgung von linken Netzwerken oder Ausländern seine Kapazitäten gebunden hat. Doch das Schlimmste ist die Frage: Gab es in der rechten Szene Mitarbeiter des Verfassungsschutzes – und seien es nur V-Leute oder bezahlte Spitzel -, die etwas gewusst haben? Wir warten auf Aufklärung.

München ist die Stadt in der am 26. 9. 1980 das bisher größte Bombenattentat der bundesdeutschen Geschichte von Rechtsextremisten begangen wurde – eine Tat, die bis heute nicht vollständig aufgeklärt erscheint. Es darf nicht passieren, dass noch einmal rechtsextreme Morde in dieser Stadt unaufgeklärt bleiben.“