Antrag | 08.12.2010

Sozialhilfe unbürokratisch auszahlen

Antrag zur dringlichen Behandlung in der Vollversammlung am 15.12.2010

 

Sozialhilfe unbürokratisch auszahlen

1. Die Landeshauptstadt München fordert den Freistaat Bayern auf, wie bisher den Kommunen die Möglichkeit der Festsetzung regionaler Regelsätze im Sozialgesetzbuch (SGB) XII einzuräumen.

2. Die Landeshauptstadt München holt bei vorliegender landesrechtlicher Ermächtigung ein Gutachten zur Ermittlung des münchenspezifischen Regelbedarfs ein.

3. Die Landeshauptstadt München fordert den Freistaat Bayern auf, den Kommunen eine schrittweise Anpassung der Regelsätze zu ermöglichen, wenn auf Grund der neuen Berechnungsmethoden der neue Regelsatz niedriger als der bisherige sein sollte.

4. Wird die Möglichkeit zur Festsetzung regionaler Regelsätze nicht eröffnet, zahlt die Landeshauptstadt München den bisherigen Münchner Regelsatz von 384 Euro im Januar 2011 auch bei Wegfallen der Rechtsgrundlagen aus.

5. Stimmt der Bundesrat dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (RBEG) nicht zu, zahlt die Landeshauptstadt München weiterhin den bisherigen Regelsatz von 384 Euro aus.

Begründung

Der Bundestag hat nach intensiver Debatte am 3.12.2010 dem Entwurf eines Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des SGB II und XII zugestimmt. Als Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts werden im SGB II bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich 364 Euro statt bisher 359 Euro anerkannt. Der Regelsatz in der Sozialhilfe (SGB XII) ist dem SGB II gleichzusetzen und beträgt für alleinstehende oder alleinerziehende Leistungsberechtigte ebenfalls 364 Euro. Der Bundesrat muss dem Gesetz am 17.12.2010 noch zustimmen. Es soll zum 1.1.2011 in Kraft treten.

Bislang bestand für die Landkreise und kreisfreien Städte in Bayern die Möglichkeit, im Bereich des SGB XII einen abweichenden regionalen Regelsatz festzusetzen. Die gesetzliche Ermächtigung hierfür war § 99 Satz 1 der Verordnung zur Ausführung der Sozialgesetze (AVSG). Die Vollversammlung des Stadtrats hat von dieser Möglichkeit der abweichenden regionalen Festsetzung der Regelsätze im SGB XII Gebrauch gemacht und die Münchner Regelsätze aufgrund eines Gutachtens des paritätischen Wohlfahrtsverbands mit Beschluss vom 18.04.2008 auf 371 Euro monatlich festgesetzt. Durch die zwischenzeitlich erfolgten Rentenanpassungen hat sich der Regelsatz seit 01.07.2010 auf 384 Euro erhöht.

Grundsätzlich bestünde auch nach dem vorliegenden Entwurf zum Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (RBEG) die Möglichkeit, dass die Länder eine abweichende Neufestsetzung bzw.Mindestfestsetzung des Regelsatzes vornähmen. Wenn Bayern hiervon Gebrauch machen würde, wäre auch wieder eine Ermächtigung der Sozialhilfeträger zur abweichenden regionalen Festsetzung eigener Regelsätze möglich. Nach derzeitigem Kenntnisstand wird das BayStMAS diese Möglichkeit jedoch nicht eröffnen, da in ganz Bayern ein einheitlicher Regelsatz gelten soll. Damit besteht ab dem 01.01.2011 keine Möglichkeit mehr, den bestehenden Regelsatz in Höhe von 384 Euro in München beizubehalten. Die Leistung ist auf 364 Euro herabzusetzen.

Der Betrag von 364 Euro ist nicht armutsfest. Sowohl im SGB II als auch im SGB XII muss die Landeshauptstadt München in großem Umfang mit Spenden- und Stiftungsmitteln unterstützen, um den Bedarf der Anspruchsberechtigten abzudecken. Menschen, die Leistungen aus dem SGB XII beziehen, sind in der Regel dauerhaft hilfsbedürftig und haben keine Möglichkeit, sich durch eigene Kraft aus dieser Situation zu befreien. Im Europäischen Jahr 2010 gegen Armut und Soziale Ausgrenzung wäre es seitens der Staatsregierung zynisch, die Armut in München durch die Verweigerung eines regionalen Regelsatzes wissentlich zu verschärfen.

Die Landeshauptstadt München müsste nun noch vor Weihnachten ca. 16.000 Bescheide an eine Rechtslage anpassen, die sehr kurzfristig verkündet wird und deren Zustimmung im Bundesrat noch nicht vollkommen gesichert ist. Dies liegt nicht im Interesse der Landeshauptstadt München, zumal es einen sehr hohen Verwaltungsaufwand nach sich ziehen würde, der nur mit Überstunden und Wochenendarbeit zu bewältigen wäre.

Sollte die Möglichkeit zur Festsetzung eigener Regelbedarfsätze weiterhin möglich sein, ist ein neues Gutachten zu erstellen, das dem Stand der Wissenschaft entspricht und den Nachweis erbringt, dass die tatsächlichen Lebenshaltungskosten und die örtliche Preisentwicklung sowie die örtliche Entwicklung der Nettoarbeitsentgelte eine abweichende Regelsatzfestsetzung rechtfertigen. Dieser Nachweis ist in der Landeshauptstadt München sicher zu führen und sozialpolitisch geboten.

Sollte das Änderungsgesetz mangels Bundesratszustimmung nicht in Kraft treten, wird die Landeshauptstadt München weiterhin ihren regionalen Regelsatz auszahlen.

Begründung der Dringlichkeit

Die Dringlichkeit des Antrags ist gegeben, weil wegen das Inkrafttreten der einschlägigen Rechtsänderungen zum 1.1.2011 beabsichtigt ist und vorher keine Möglichkeit der Beratung in den Fachausschüssen mehr besteht. Es liegt im dringlichen sozialpolitischen Interesse der
Landeshauptstadt München, den Freistaat Bayern früh- und rechtzeitig aufzufordern, ihr weiterhin die Möglichkeit zur Festsetzung eines regionalen Regelsatzes zu ermöglichen und diese Möglichkeit nicht zu streichen.

 

Für die SPD-Stadtratsfraktion   Für die Stadtratsfraktion B90/Die Grünen – rosa liste
Costas Gianacacos
Christian Müller
Dr. Constanze Söllner-Schaar
Siegfried Benker
Gülseren Demirel
Jutta Koller