Pressemitteilung | 27.04.2018

Stirbt die Subkultur im boomenden München? Vorschläge zur Förderung von Freier Szene, Pop- und Jugendkultur

Pressegespräch am Freitag, den 27. April 2018 mit Florian Roth und Sabine Krieger

München wächst. Die neu entwickelten Quartiere, aber auch die sich verändernden und verdichtenden Viertel brauchen eine angemessene Infrastruktur. Dazu gehören natürlich Verkehr, Kinderbetreuung und Schule, Nahversorgung – aber auch eine kulturelle Infrastruktur.
Die traditionellen kulturellen Institutionen wie Volkshochschul-Dependancen, Stadtbüchereien und kulturelle Stadtteilzentren werden dem wachsenden Bedarf angepasst. Weniger traditionelle Kulturformen wie die Freie Szene (insbesondere der Bildenden Kunst), die Pop-, Sub- und Jugendkultur drohen jedoch unter die Räder zu kommen. Gerade wenn es Kulturformen sind, die nicht geräuschlos ablaufen, gibt es Konflikte mit Wohnnutzungen.
Die Entwicklungen der letzten Zeit geben Grund zur Besorgnis:

  • Der Betreiber des arrivierten Clubs „Harry Klein“, David Süß, warnt davor, dass München in 5 bis 10 Jahren popkulturell tot sein wird, „was eine bestimmte Art von Nachtkultur betrifft. … Also Clubs. Oder Subkultur“ (>>>hier)
  • Auch der Zusammenschluss „Stereo Kultur München (SKM)“ von Popkulturschaffenden konstatiert, dass immer mehr Livemusik-Clubs schließen und immer weniger Proberäume zur Verfügung stehen.
  • Der Interimsstandort für den Gasteig an der Hans-Preißinger-Straße (HP8) in Sendling hat zu großen Konflikten mit zahlreichen Künstlerinnen und Künstlern des gewachsenen Kreativquartiers vor Ort geführt. Zwar haben die massiven Proteste der Betroffenen, des Bezirksausschusses, aber auch der grünrosa Opposition im Stadtrat zu einem Kompromiss geführt, aber ganz ohne Verdrängungen wird der Umzug des Gasteigs wohl nicht ablaufen.
  • Die KunstWohnWerke eG, die das Genossenschaftsprojekt STREITFELD ohne finanzielle Hilfe der Stadt auf die Beine gestellt hat, konstatiert, dass sich insbesondere in der Bildenden Kunst die Raumsituation durch den Wegfall (nicht-städtischer) Atelierflächen etwa durch Auflösung der Boxfabrik (ca. 15 Ateliers), dem Wegfallen von ca. 50 Ateliers in der Feldmochinger Straße und weiterer Entwicklungen deutlich verschärft (und dass bei ca. 80 Absolvierenden der Kunstakademie jährlich)
  • Durch den Bau des neuen Volkstheaters und dem Wohnbau am Viehhof müssen die Kreativen dort zusammenrücken, was zu internen Konflikten und heftigen Verteilungskämpfen innerhalb der Szenen führt (>>>hier).
  • Anlässlich des von der CSU ohne Gegenwehr der SPD betriebenen langsamen Abschieds des experimentell agierenden Intendanten der Kammerspiele, Matthias Lilienthal, konstatierte Susanne Hermanski in der Süddeutschen Zeitung, dass die „Kulturpolitik, die SPD und CSU in München betreiben, … zunehmend den Charakter eines Kuhhandels“ habe. Weiter heißt es dort zu Recht:
  • „Wer wagt sich da noch zu fragen, wie es mit der Planung von kulturellen Räumen für die neu entstehenden Viertel einer immer weiter wachsenden Stadt steht. Die Standortdiskussion um das Ausweichquartier für den Gasteig hat nämlich vor allem eines gezeigt: Viele Flächen werden gerade mit dringend notwendigen Wohnungen zugepflastert, aber wenn dort schon nicht an die nötigen Plätze für Kitas oder Schulen gedacht wird, wer sollte dann auf die Idee kommen, einen Gemeinschaftssaal einzuplanen, in dem später einmal Konzerte stattfinden oder Bands proben könnten?“ (>>>hier).
  • Schließlich hat das Kulturreferat zwar eine Beschlussvorlage für ein Konzept Popmusik erstellt, bringt aber kaum einen neuen Ansatz, verwendet zu geplanten Maßnahmen 7mal das Wörtchen „weiterhin“ und stellt einen nächsten Bericht erst in drei Jahren in Aussicht (>>>hier).

Für uns gehört zur Lebensqualität und Lebendigkeit einer wachsenden und sich verändernden Stadt, dass auch Künstlerinnen und Künstler jenseits der großen Institutionen oder des großen kommerziellen Erfolges nicht verdrängt werden, dass die Pop- und Clubkultur, das Nachtleben seinen Platz findet.
Deshalb reicht es nicht, sich auf dem Erreichten auszuruhen und, in fein sortierter Referatszuständigkeit, ein leicht forciertes „Weiter-So“ zu praktizieren. Münchens freie Szene sowie die Pop- und Subkultur brauchen mutige Konzepte und Ideen.
Die Grünen-rosa liste bringen deshalb hier eine Reihe von Vorschlägen in die Diskussion, aus denen sich Bausteine für ein Konzept „München 2030 – kulturell lebendig“ entwickeln lassen:

1. Ein sog. „Nachtbürgermeister“ wie in Amsterdam, Paris und New York sollte als Vermittler/in für ein besseres Zusammenspiel von Stadt und Clubs sorgen (>>>zum Antrag).

2. Wie in Berlin soll die Stadt popkulturellen Einrichtungen ein Fonds für Schallschutzmaßnahmen zur Verfügung gestellt werden (in Berlin 1 Mio. jährlich).(>>>Zum Antrag).

3. Angesichts der rasanten Entwicklung der Mieten in München halten wir es für richtig zu überprüfen, ob nicht höhere Mietzuschüsse für Proberäume und Ateliers notwendig sind (>>>zum Antrag).

4. Auch die Anzahl städtischer Ateliers und anderer der freien Szene zur Verfügung stehender Räumlichkeiten muss überprüft werden(>>>zum Antrag) .

5. Mit verschiedenen Workshops, Tagungen und einer kontinuierlichen Arbeitsgruppe unter Beteiligung von Szene und Referaten soll ein Konzept erarbeitet werden, mit dem bei Konflikten, etwa in Folge von Anwohnerbelästigungen, Lösungen gefunden werden können. Das Konzept soll außerdem dafür sorgen, dass die freie Szene, Pop-, Sub- und Jugendkultur in der Stadtentwicklung ihren Platz bekommen (>>>zum Antrag).

6. Die Förderung für das Feierwerk muss erhöht werden. Angesichts des Wachstum der Stadt wird es außerdem notwendig, ein zweites überregionales jugendkulturelles Zentrum zu etablieren (>>>zum Antrag).

7. Die Stadt München sollte neben der Kunst- und Wohngenossenschaft Streitfeld ein zweites „Kunstwohnwerk“ unterstützen (>>>zum Antrag).

8. Die grüne Initiative (siehe Antrag „Bonusgeschosse für stadtplanerisch erwünschte Erdgeschossnutzungen“ vom 24.8.2017), bei Wohnungsbau im Erdgeschoss Nichtwohn-Nutzungen durch ein um ein Geschoss höheres Baurecht zu fördern, kann auch mit dem Fokus auf das Thema Ateliers und Popkultur realisiert werden.
Für Neubauten städtischer Wohnbaugesellschaften (und anderer städtischer Gesellschaften, die Werkswohnungen bauen) ist eine solche Erdgeschossnutzung in jedem Fall vorzusehen (>>>zum Antrag).

9. Gemeinbedarfsflächen, insbesondere Standorte für Infrastruktureinrichtungen wie Schulen, Bibliotheken und Stadtteilzentren sind daraufhin zu überprüfen, ob auch eine popkulturelle Nutzung (Clubs) auf dem Gelände möglich ist – gerade in Neubaugebieten (>>>zum Antrag).

10. An Schulen ist zu überprüfen, ob insbesondere Musikräume abends als Musikproberäume für Musikerinnen und Musiker zur Verfügung gestellt werden (>>>zum Antrag).

11. Nicht ausreichend genutzte Tiefgaragen könnten zu Musikproberäumen werden (>>>zum Antrag).

12. Dort wo Stadt oder städtische Beteiligungsgesellschaften Gebiete entwickeln (z.B. die langfristige Zukunft von HP8 nach der Interimsnutzung des Gasteigs), sollte der Freien Szene sowie der Pop-, Sub- und Jugendkultur systematisch ein angemessener Stellenwert eingeräumt werden (>>>zum Antrag).

Dr. Florian Roth: „Zur Lebensqualität und Lebendigkeit einer dynamisch wachsenden und sich verändernden Stadt gehört auch, dass auch Künstlerinnen und Künstler jenseits der großen Institutionen oder des großen kommerziellen Erfolges nicht verdrängt werden, dass die Pop- und Clubkultur, das Nachtleben ihren Platz finden. Deshalb reicht es nicht, sich auf dem Erreichten auszuruhen und, in fein sortierter Referatszuständigkeit, ein leicht forciertes „Weiter-So“ zu praktizieren. Münchens freie Szene sowie die Pop- und Subkultur brauchen mutige Konzepte und Ideen.

Sabine Krieger: „Das Wachstum in München zieht leider auch eine verschärfte Konkurrenz um Räume und Flächen nach sich, die bisher von Künstlerinnen und Künstlern genutzt werden konnten. Die Stadt muss daher neue Räume eröffnen, um Kulturschaffenden Platz zur Entfaltung ihrer Kreativität zu sichern. Und gerade in den Neubaugebieten muss die Stadt darauf achten, dass Platz auch für die freie Szene, für Sub- und Jugendkultur entsteht.“