Pressemitteilung | 22.01.2009

Entkolonialisierung der Münchner Straßennamen teilweise erfolgreich

P R E S S E M I T T E I L U N G

Entkolonialisierung der Münchner Straßennamen teilweise erfolgreich
– alle Kolonialstraßen werden mit Erläuterungen versehen

Im Juni 2003 stellte der Grüne Fraktionsvorsitzende Siegfried Benker den Antrag, die „Straßennamen in München zu entkolonialisieren.“ Durch die Kolonialgeschichte besonders belastete Straßennamen sollten geändert werden – bei den anderen Namen sollten Erläuterungstafeln angebracht werden. Nach einer langen und erbittert geführten Diskussion wurde zunächst die von-Trotha-Straße in Trudering, benannt nach Generalleutnant Lothar von Trotha, verantwortlich für den Völkermord an den Hereros 1904, in Hererostraße, umbenannt.
Für alle weiteren Straßennamen wurde beschlossen, größere Erläuterungstafeln anzubringen, die auf den problematischen Hintergrund der Benennung hinweisen sollten. Hierzu mussten die bisherigen offiziellen Begründungen der Straßenbenennungen alle überarbeitet werden. Ein Beispiel:

So lautete zum Beispiel die offizielle Namenserläuterung der Straße in Bogenhausen für den Offizier Hans Dominik bisher:

Hans Dominik, geb. 7. 5. 1870 in Culm/Westpreußen, gest. 16. 12. 1910 auf der Heimfahrt von Kamerun, verdient um die Erforschung und Befriedung der ehemaligen deutschen Kolonie Kamerun (1893 – 1910)“.

Die neue Fassung lautet:

Hans Dominik (1870 – 1910), als Offizier verantwortlich für brutale Unterdrückungsmaßnahmen und Hinrichtungen in der deutschen Kolonie Kamerun.“

Aufgrund dieser jetzt offen zu Tage tretenden Verbrechen die mit diesem (und anderen) Namen verbunden sind, hat der Bezirksausschuss Bogenhausen eine „Änderung der amtlichen Namenserläuterungen mehrheitlich abgelehnt“ und überlegt ob „konsequenterweise nicht eine Umbenennung der Straßen erfolgen sollte,“ (Stellungnahme des BA -Bogenhausen vom 15. 10. 08).

Aufgrund dieses Vorstoßes hat die Fraktion der Grünen nochmals beantragt, wenigstens die Dominikstraße umzubenennen – diesmal vermutlich im Einvernehmen mit dem BA. Dieser erneute Vorstoß fand aber leider keine Mehrheit.

Siegfried Benker, Fraktionsvorsitzender: „Die Debatte um die knapp 30 Straßen in München, die nach Ereignissen und Personen aus der Kolonialzeit benannt sind hat jetzt 51/2 Jahre gedauert. Zu keinem anderen Thema habe ich soviel positive aber auch ablehnende Stellungnahmen erhalten. Diese Diskussion ist für sich genommen schon ein Erfolg, weil die Verbrechen der deutschen Kolonialzeit ein öffentliches Thema wurden. Die Umbenennung der von-Trotha-Straße war ein wichtiges Signal der Aufarbeitung deutscher Geschichte auch im öffentlichen Raum. Die Benennung nach den Hereros, den Opfern eines deutschen Völkermordes, war ein kleines Zeichen der Wiedergutmachung. Es ist schade, dass sich im Stadtrat keine Mehrheit dazu durchringen konnte, auch die Dominikstraße in Bogenhausen umzubenennen. Damit bleibt die Ehrung einer Person bestehen, über deren Unwürdigkeit große Einigkeit besteht.

Sehr erfreulich ist, dass jetzt alle offiziellen Erläuterungen vom Hurra-Patriotismus der zwanziger und dreißiger Jahre befreit wurden – und der Blick klar und unmissverständlich auf die Verbrechen der Täter und die Leiden der Opfer gelegt wird. Die Anbringung dieser Tafeln an allen Straßenbezeichnungen unter der Überschrift „Kolonialgeschichte offenlegen“ schafft einen dauerhaften Erinnerungsort im öffentlichen Raum.“