Pressemitteilung | 17.04.2013

Neue Wege in der Radverkehrspolitik

In der städtischen Verkehrsplanung findet derzeit ein Paradigmenwechsel statt: Weg von der autogerechten Stadt, hin zum attraktiven urbanen Lebensraum für alle Bürgerinnen und Bürger. Dies liegt sicherlich daran, dass die Energiepreise steigen und die Endlichkeit der fossilen Energieträger allmählich ins Bewusstsein rückt. Auch neue Richtlinien, wie die Feinstaubverordnung, zwingen zu einem Umdenken. Aber noch viel wichtiger ist ein Bewusstseinswandel, für den ich mich seit vielen Jahren eingesetzt habe!
Die Nachhaltigkeits-Bildung trägt langsam Früchte und führt von einer Kultur des Besitzens zu einer Kultur des Teilens. Es heißt nicht mehr: „Mein, Haus, mein Auto, mein Pferd“, sondern „wie kann ich mein (Mobilitäts-)Bedürfnisse intelligent, preiswert und ressourcenschonend befriedigen?“. In der Verkehrspolitik bedeutet das, dass die sog. Multimodalität auf dem Vormarsch ist, also ein Mix aus verschiedenen Verkehrsmitteln. Die zunehmende Zahl an Carsharing- und Leihradsystemen, hohe Verkaufszahlen für E-Bikes, aber auch der Anstieg der Fahrgastzahlen im ÖPNV belegen, dass die Menschen bereit sind, sich immer wieder neu für das gerade optimale Verkehrsmittel zu entscheiden. Es gilt natürlich, den dafür notwendigen Rahmen zu schaffen und damit meine ich eine fußläufige und fahrradfreundliche Infrastruktur und ein Umfeld mit reichlich Natur- und Begegnungsräumen. Neben dem ÖPNV und dem Radverkehr nehmen wir nun auch FußgängerInnen verstärkt in den Blick.
Wichtig ist, den gesellschaftlichen Bewusstseinswandel noch weiter „anzuschieben“. Allerdings nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern auf erfrischende Art und Weise. 2007 habe ich die Velo-city-Konferenz nach München geholt, die der maßgebliche Impulsgeber für das aktuelle Radverkehrsprogramm und für die Radlhauptstadt-Kampagne war. Obwohl ich mich immer wieder dafür rechtfertigen musste, dass „soviel Geld in Werbung statt in den Radwegebau geht“, bestreitet inzwischen niemand mehr, dass gerade die Radlhauptstadt-Kampagne den Bewusstseinswandel sehr nach vorne gebracht hat. Sie findet internationale Beachtung und gilt als Vorbild – so auch auf der kommenden Velo-city-Konferenz 2013 in Wien! Und sie wurde auch vom jüngsten ADFC-Fahrradklimatest als wegweisendes Beispiel genannt. Die Münchnerinnen und Münchner finden offenkundig ebenfalls großen Gefallen an den Kampagnen-Angeboten, wie zum Beispiel der Radlnacht, dem Radlflohmarkt, den Neubürgertouren oder den Radl-Sicherheits-Checks. Die Zuwachszahlen des Radverkehrs am Gesamtverkehr ( der sog. „Modal-Split“) belegen zudem deutlich den Erfolg: Die 17 % Radverkehrsanteil, die wir für 2015 angepeilt hatten, hatten wir schon 2011 erreicht. Unter den deutschen und europäischen Millionen-Städten ist dies tatsächlich der höchste Radverkehrsanteil. Den Titel Radlhauptstadt, den wir uns 2009 einerseits augenzwinkernd, andererseits auch zum eigenen Ansporn gegeben haben, tragen wir so gesehen nicht zu Unrecht. Doch darauf werden wir uns nicht ausruhen. Dem Stadtrat wollen wir noch in diesem Jahr eine neue Zielzahl vorzuschlagen und zwar 20% bis 2017. Dass dies möglich ist, zeigen uns (weniger einwohnerstarke) Städte wie Münster, Erlangen oder Kopenhagen, die uns nach wie vor ein Vorbild sind!
Kürzlich habe ich der Münchner Presse vorgestellt, welche Vielzahl an Maßnahmen wir 2012 umgesetzt haben und was für 2013 an große Vorhaben geplant ist. Es würde hier zu weit führen, all die Infrastrukturmaßnahmen und –vorhaben aufzuführen. Nur soviel:

1992 bis 2010 haben wir rund 33 Millionen Euro in den Radwegebau investiert. Die finanziellen Aufwendungen für den Ausbau und für die kontinuierliche Verbesserung der Münchner Radverkehrs-Infrastruktur liegen seit dem Grundsatzbeschluss Radverkehr aus dem Jahr 2009 inzwischen bei jährlich 4,5 Millionen Euro – das ist gegenüber den Vorjahren eine Verdreifachung.  Außerdem beinhalten die meisten städtischen Straßenbaumaßnahmen auch konkrete Verbesserungen für den Radverkehr, so dass die tatsächlichen Aufwendungen für die Verbesserung der Radverkehrsinfrastruktur insgesamt noch deutlich höher liegen.

Am Thema Radverkehrsförderung sind in München viele Referate und Stellen beteiligt:

–         Meinem Büro obliegt die Federführung und Koordination sowie die politische Gremienarbeit.

–         Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung ist für die Konzeption und die Grundlagenplanung des Radverkehrs zuständig und erstellt den Verkehrsentwicklungsplan-Radverkehr.

–         Das Baureferat projektiert, baut und unterhält das Radverkehrsnetz sowie öffentliche Fahrradabstellanlagen.

–         Das Kreisverwaltungsreferat ist für alle verkehrsrechtlichen und verkehrsordnenden Aufgaben zuständig. Dazu gehören zu Beispiel die Öffnung von Einbahnstraßen für den Radverkehr, das Einrichten von Fahrradstraßen, die Überprüfung und Änderung der Radwegbenutzungspflicht, die Regelungen an Baustellen und die kommunale Verkehrsüberwachung

–         Das Referat für Gesundheit und Umwelt beschäftigt sich mit den Umwelt- und den gesundheitlichen Aspekten des Radelns. Es koordiniert Mitmachaktionen wie „Stadtradeln“ oder „Mit dem Rad zur Arbeit“ und gibt den beliebten Radlstadtplan heraus.

–         Das Referat für Arbeit und Wirtschaft bietet im Rahmen des Förderprogramms „Betriebliches Mobilitätsmanagement“ Beratung für Unternehmen in der Stadt und im Landkreis München an, die den Radverkehr fördern möchten. So wurden beispielsweise bislang 779 Radlstellplätze in Unternehmen geschaffen, 106 Dienstfahrräder angeschafft, in vielen Unternehmen Duschen und Spinde für Radfahrer oder unternehmenseigene Radverleihsysteme eingeführt. Außerdem fördert die Abteilung München Tourismus kräftig den Radltourismus.

Um den Interessen des Rad- und Fußverkehrs mehr Gewicht zu verleihen, setze ich mich auch jenseits der Stadtgrenzen ein. Zum Beispiel dafür, dass es in Bayern nun einen Zusammenschluss fahrradfreundlicher Kommunen gibt. 2011 wurde die Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Kommunen (AGFK) Bayern gegründet, deren stellvertretender Vorsitzender ich bin. Die AGFK hat kürzlich einen Forderungskatalog beschlossen und gemeinsam finden wir nun besser Gehör bei der Staatsregierung und anderen Institutionen. Zu den gemeinsamen Forderungen zählen unter anderem die nach einer Erhöhung des Radverkehrsbudgets, zur Einrichtung von Fahrradservicestationen an Bahnhöfen oder eine einheitliche Modal-Split-Erhebung, damit die Werte künftig direkt vergleichbar sind. Damit es auch nicht bei schönen Absichtserklärungen und bloßen Forderungen bleibt, müssen AGFK-Kommunen ihre Fahrradfreundlichkeit regelmäßig überprüfen lassen. Bei uns steht die erste Prüfung noch in diesem Jahr an und wird von meinem Büro und den zuständigen Referaten vorbereitet. Auch sonst wird in meinem Büro nach wie vor mit Hochdruck an Nahmobilitätslösungen gearbeitet: Neben den im Vergleich zum Autoverkehr nach wie vor zu niedrigen Finanzmitteln, ist unser Hauptproblem der oft fehlende Platz im bereits überplanten Straßenraum. Außerdem stellen wir fest, dass die Radlerinnen und Radler keine homogene Gruppe sind, sondern dass beispielsweise Mountainbike- oder Pedelec-FahrerInnen andere Bedürfnisse haben, als die AlltagsradlerInnen. Und schließlich gilt es, das immer wieder konfliktträchtige Miteinander von RadfahrerInnen und FußgängerInnen zu verbessern.
Aktuell bereite ich außerdem die internationale Fußverkehrskonferenz „Walk21 vor, die wir vom 11.-13.September zu Gast in München haben werden. Aus Erfahrung rechne ich fest damit, dass uns renommierten Nahmobiliätsexperten aus aller Welt wichtige Impulse für eine Verbesserung der Rad- und Fußverkehrsinfrastruktur und nicht zuletzt für ein besseres Miteinander der Radfahrer und Fußgänger geben werden!

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen wunderschönen Radl- und Flanier-Sommer!

Ihr Hep Monatzeder