Antrag | 06.05.2008

Verschärftes Versammlungsrecht für Bayern ablehnen

Antrag zur dringlichen Behandlung im Kreisverwaltungsausschuss vom 12.06.2008

Der Stadtrat möge beschließen:

Das Kreisverwaltungsreferat nimmt zum Gesetzesentwurf der Bayerischen Staatsregierung bezüglich des Bayerischen Versammlungsgesetzes ablehnend Stellung und berichtet darüber im Kreisverwaltungsausschuss.

Begründung:
Durch die Föderalismusreform ging die Zuständigkeit für die Gesetzgebung zum Versammlungsrecht auf die Länder über. Die Bayerische Staatsregierung hat nun einen Gesetzesentwurf eines Versammlungsgesetzes vorgelegt und bereits in erster Lesung erörtert. Das Kreisverwaltungsreferat als örtliche Versammlungsbehörde hat hierzu eine Stellungnahme abzugeben.Da der Gesetzesentwurf nach Auffassung einer Vielzahl juristischer Organisationen und der Landtagsopposition in weiten Teilen verfassungswidrig ist, wird das Kreisverwaltungsreferat beauftragt, diesbezüglich einen negative Stellungnahme abzugeben.
Der Gesetzesentwurf missachtet das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit nach Art. 8 GG und das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 GG in eklatanter Weise.
Im Leitsatz des Bundesverfassungsgerichts im Brokdorf-Beschluss vom 14.5.1985 heißt es:
Das Recht des Bürgers, durch Ausübung der Versammlungsfreiheit aktiv am politischen Meinungsbildungsprozeß und Willensbildungsprozeß teilzunehmen, gehört zu den unentbehrlichen Funktionselementen eines demokratischen Gemeinwesens. Diese grundlegende Bedeutung des Freiheitsrechts ist vom Gesetzgeber beim Erlass grundrechtsbeschränkender Vorschriften sowie bei deren Auslegung und Anwendung durch Behörden und Gericht zu beachten.“
Diesen Grundsätzen wird der Gesetzesentwurf nicht gerecht.

Einige Beispiele sollen dies verdeutlichen:

1. Das geplante Gesetz sieht massive Einschränkungen für Versammlungen in geschlossenen Räumen vor. Dies ist jedoch nicht zulässig, da Versammlungen in geschlossenen Räumen nicht dem Gesetzesvorbehalt, wie Versammlungen unter freiem Himmel unterliegen. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Art. 8 GG.

2. Veranstalter, Leiter und Ordner werden verpflichtet, ihre persönlichen Daten im Vorfeld anzugeben. Leiter und Ordner können von der Versammlungsbehörde als ungeeignet abgelehnt werden.
Dies setzt eine umfangreiche Überprüfung, Anfragen bei Polizei, Verfassungsschutz u.ä. voraus und führt zu einer massiven Einschüchterung von politisch aktiven Personen, die sich als Ordner und Leiter einer Versammlung bereit erklären. Eine Notwendigkeit hierfür ist nicht ersichtlich.

3. Die Befugnisse der Polizei zur Aufzeichnung und Speicherung von Daten, Bild- und Tonaufzeichnungen werden erheblich erweitert.
So sollen z.B. Übersichtsaufnahmen unbefristet gespeichert werden, wenn sie der Auswertung polizeitaktischen Vorgehens dienen.
Bereits in der Vergangenheit wurden die Aufnahmen der Polizei von Demonstrationen regelmäßig durch den Datenschutzbeauftragten gerügt. Nun sollen die Befugnisse nochmals erweitert werden. Dies widerspricht in eklatanter Weise dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das vom BVerfG vor kurzer Zeit nochmals gestärkt wurde.

4. Durch die Einführung eines sog. Militanzverbots soll eine Versammlung bereits dann verboten werden können, wenn sie „den Eindruck von Gewaltbereitschaft vermittelt und damit eine einschüchternde Wirkung verbunden ist“.
Dabei handelt es sich um vollkommen schwammige Begriffe, die beliebig auslegbar und daher nicht geeignet sind, ein Rechtsgut von so hohem Stellenwert wie das Versammlungsgrundrecht einzuschränken.Der Brokdorf-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts verlangt als Verbotsvoraussetzung eine eindeutige, an Tatsachen anknüpfende Gefahrenprognose, die eine konkrete Gefährdung der öffentlichen Sicherheit belegt. Andernfalls sind Einschränkungen des Grundrechts unzulässig.
Es entsteht der deutliche Eindruck, dass der Gesetzesentwurf eine massive Beobachtung, Überwachung und Einschüchterung der politischen Willensbildung beabsichtigt und dabei die klaren verfassungsrechtlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgericht in einer Vielzahl von geplanten Vorschriften missachtet.
Der Gesetzesentwurf ist daher in Gänze abzulehnen. Da das Kreisverwaltungsreferat in der Regel Stellungnahmen in entsprechenden Gesetzgebungsverfahren abgibt, soll das KVR hier eine deutlich ablehnende Haltung bekunden.

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – rosa liste
Initiative: Siegfried Benker